RSS
 

Begegnungen

25 Nov

Normalerweise nehmen die Konversationen auf der Strasse immer mehr oder weniger den selben Verlauf.  Irgendwer haelt an, das passiert tatsaechlich alle paar Kilometer, dann wird schnell festgestellt, dass man kaum ein Wort des anderen versteht.  Dann wird noch etwa 5 Minuten vollkommen sinnlos, aber sehr freundlich, aneinander vorbei kommuniziert, ich zaehle dann meistens irgendwelche Ortsnamen auf, die werden wenigsten von allen verstanden.
Aus diesem Grund hab ich auch bisher die meisten Einladungen nach Hause abgelehnt, ist doch totaler Quatsch da einen ganzen Abend rumzusitzen und sich nichts zu sagen zu haben.

mit Yashid im Zimmer

Mayid und einer seiner aeltereren Brueder

Umso groesser die Freude wenn da mal wer etwas englisch kann.  Und so kam ich zu einer Uebernachtung bei Mayid.  Er ist 20 Jahre alt, kam da so daher mit Lederjacke und Sonnenbrille, und lebt in einem 2000 Leute Dorf, also irgendeinem zufaelligen Nest an der Strasse.  Sein Zimmer, was er, wie hier ueblich, noch mit etlichen Bruedern teilt, ist in erster Linie, auch total typisch, ein leerer Raum mit einem schoenem weichen Teppich, die einzigen Moebel ein grosser Kuehlschrank und der Fernseher und ein paar Kissen.  Es dauert nicht lange, holt der seinen VCD-Player, fummelt die zwei blanken Kabel irgendwie mithilfe eines anderen Steckers in die Steckdose und den Rest des Abend gabs ne Menge Musik aus seiner umfangreichen Sammlung, auf die er auch ausgesprochen stolz war. Beim folgenden kurzem Film achte man bitte insbesondere auf den Soundtrack.

bei Yashid in der Bude from Michael Lottes on Vimeo.

War eine durchaus schwierige Situation fuer mich. Weil der spielte mir voller Stolz Scooter, Modern Talking und als Kroenung dann auch noch C.C.Catch vor.  Und konnte alle Texte auswendig, so gut, dass er mir immer schon vorher sagen konnte was jetzt kommt, sprich er hat die ganze Mucke nicht nur einmal gehoert bis jetzt.  Alles illegales Zeug, irgendwie irgendwoher besorgt, und der wollte jetzt meine Meinung zu jedem einzelnen der Songs hoeren. Soll ich dem sagen, dass dieser Kram mehr als 20 Jahre alt ist und niemand das mehr hoert? Oder soll ich Begeisterung heucheln fuer eine Musik die eigentlich nur mit der Mute-Funktion auf der Fernbedienung zu ertragen ist? Sein groesster Wunsch ist es, mal Scooter persoenlich zu treffen, ob das gaenge? Ich eierte ein bischen rum, dass der sicher viele Fans hat und es nicht leicht ist, aber auch nicht unmoeglich… Den Rest des Abends gabs dann diverse Dancefloorbrueller der letzten 20 Jahre, aber es war warm, und ich hab ihm geholfen ein paar Texte abzuhoeren.  Das Schoenste sind natuerlich die Videos, weil bei den ganzen Danceteilen die Frauen natuerlich nicht unbedingt der islamischen Kleiderordnung entsprechen.  Auf jeden Fall war das so seine Welt, sein Traum von einer Freiheit, von der der Iran unendlich weit weg erscheint.  Stellt sich nur die Frage ob es gut ist, wenn das Bild Europas oder Amerikas ueber so Musikvideos erzeugt wird.

Englischunterricht

Englisch-Unterricht

im Lehrerzimmer

im Lehrerzimmer

die grossen Jungs

Unterricht fuer die grossen Jungs - Maenner haben an dieser Schule Sonntag, Dienstag und Donnerstag Unterricht, die Frauen Samstag, Montag und Mittwoch

Zwei Tage spaeter spricht mich wieder wer im perfekten Englisch auf der Strasse an, er haette ein Englisch-Institut in der naechsten groesseren Stadt, 40km vor mir, ob ich nicht am Nachmittag dahin kommen wolle.  Klar, und so finde ich mich in einer privaten Schule fuer Englischunterricht wieder, weil das in diesem Ort an der normalen Schule irgendwie nicht gelehrt wird.  Sind insgesamt 400 Schueler, die alle Geld dafuer ausgeben englisch zu lernen.

Und dann werde ich als grosse Attraktion 4 Stunden lang von einem Kurs in den naechsten durchgereicht und beantworte ununterbrochen Fragen der Schueler. Ist immer das Gleiche, wie alt, woher, was arbeite ich, was arbeiten meine Eltern, Lieblingsfarbe, ob ich Fussball mag, wie ich den Iran finde, wohin ich fahre etc.pp.
War super anstrengend, aber ich dachte, wenn ich schon will, dass die hier gut englisch lernen, dann kann ich auch mal meinen Teil dazu beitragen. Ging vor allem um die Motivation fuer die Kids, damit die englisch auch mal praktisch anwenden koennen und nicht so ins Leere hinein lernen.
Nach jeder Stunde musste ich allen Schuelern Autogramme geben, ich hab mich gefuehlt wie ein Popstar (und gemerkt wie nervig dieser Quatsch ist).

Etwas spannender war es dann spaeter mit den aelteren Schuelern. Nicht nur, dass die natuerlich viel fluessiger sprachen, es kamen auch ne Menge interessante Themen auf den Tisch. So verdanke ich meine Beliebtheit hier wohl durchaus auch der Tatsache Deutscher zu sein, ein gewisser Adolf Hitler erfreut sich hier allgemeiner Beliebtheit in breiten Schichten der Bevoelkerung. Ich frage die warum denn nun ausgerechnet Hitler so toll sei. Weil er stark war, und weil die Deutschen und die Iraner Arier seien und weil Hitler zusammmen mit den Iranern gegen die Russen vorgehen wollte.  Aha.  Wahrscheinlich hat er sich mit seiner Endloesung der Judenfrage hier auch nicht nur Feinde gemacht.
Die Araber koennen sie auch nicht leiden, die stinken und leben vom Oel ohne zu arbeiten und denken den ganzen Tag nur an Sex.  Aha.  Es bewahrheitet sich wieder, wer selber am aermsten dran ist, disst am meisten gegen irgendwelche anderen.
Und dann natuerlich die unvermeidliche Frage nach der Religion und was denn mit mir passieren wuerde wenn ich sterbe.  Was ist denn so schwer daran zu verstehen, dass man dann in einem Grab verwest?  Wieso muss denn das eigene Leben so bedeutend sein nach dem Tod unbedingt nochmal wiedergeboren werden zu muessen oder ins Paradies zu kommen?

Hassan mit Familie zu Hause

Hassan (ganz links) mit Familie zu Hause

Fruehstueck

Fruehstueck

Den Abend verbrachte ich zusammen mit Hassan, 24, einem der Lehrer an der Schule. Als ich ihn zuerst sah, dachte ich, der sei Ami, der hatte sich so einen starken Ami-Akzent zugelegt und versuchte mit nem Haufen Redewendungen und Sprichwoertern zu imponieren.  Stellte sich aber raus, der ist auch nur ein Iraner wie alle anderen und versucht nur amerikanischer als die Amerikaner selber zu sein.
Es ist total angenervt von den ganzen Restriktionen hier und traeumt von der grossen Freiheit im Westen.  Er wirkte wirklich ungluecklich, ich musste dem ne Menge Kram von unserem Leben erzaehlen, wie wir Frauen treffen, tanzen gehen, in unserer Freizeit machen etc.  Er hatte noch vor ner Weile, natuerlich heimlich, eine Freundin, und ein gebrochenes Herz hatte er nun deswegen auch.  Naja, sowas kommt von sowas, haette ich ihm auch gleich sagen koennen.  Auch seine Eltern meinten ich solle ihn mitnehmen, er sei hier nicht gluecklich.  Aber der Junge hat nicht mal einen Pass, weil den bekommt man hier erst, wenn man seine 2 Jahre (natuerlich kostenlosen) Armeedienst abgeleistet hat.  Wir haben dann zusammen ein Stueck des Filmes „Sin City“ geguckt, ich sollte ihm wieder helfen ein paar Textpassagen zu verstehen und der Film ist, glaube ich, auch bei uns mindestens P16.  Ist natuerlich verboten, aber es scheint die Polizei interessiert sich nur fuer die Oeffentlichkeit, zu Hause hat hier anscheinend jeder eine breite Sammlung verbotener Filme und Musik.

Todesanzeigen

So sehen hier die Todesanzeigen aus, die irgendwo an der Wand angeschlagen werden. Sind aber immer nur Maenner, Frauen scheinen unsterblich zu sein.

Motorradfahrer

das auch schon zwoelfjaehrige Motorrad fahren, ist keine Seltenheit.

Khomeini Werbung

oha, "becoming a perfect human is not a myth"

Share
 
1 Comment

Posted in Iran

 

Leave a Reply

 

 
  1. erlöschen

    25. November 2010 at 19:19

    he lolli!
    ich hab noch`ne nirvana unplugged
    videokassette
    wie ist die adresse von dem typ?