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im Iran

07 Nov

Ich schicke es gleich mal voraus, es ist wirklich eine ganze Menge ganz anders als gedacht. Es ist einfach unglaublich wie sehr man seinen Vorurteilen aufsitzen kann. Aber der Reihe nach:

Grenze Iran Armenien

das Grenztal zwischen Iran (links) und Armenien (rechts)

der kanns auch

also der Typ kanns auf jeden Fall auch

Der Grenzuebertritt nach Iran verlief einigermassen problemlos, wenn man davon absieht, dass der armenische Zoll irgendwelche Papiere fuer den Fahrradcomputer sehen wollte (das hatte ich dem aber in 5 Minuten ausgeredet) und dass der iranische Grenzer an meinem Pass nicht erkennen konnte welcher Nationalitaet ich bin, weil offensichtlich konnte der nicht unsere Schrift lesen. Auch das war bald erledigt.
Und so stand ich nun im Iran. Erstmal Geld wechseln, ich dachte 300 Euro reichen erst mal ne Weile. Als ich dann den Berg an Lappen sah die ich dafuer bekam, haette ich mal besser bloss 100 Euro getauscht. Es gab 84 Scheine 50.000er, so viel, dass das alles gar nicht in mein Portemonaie passte und ich erstmal denn Reststapel irgendwo anders verstauen musste. Keine Ahnung wie die hier groessere Dinge wie Computer, Moebel oder gar Autos bezahlen, mit nem Lastwagen? Weil groessere Scheine gibts jedenfalls nicht.

Dafuer gabs gleich eine nette Einfuehrung in iranische Gastfreundschaft. Ich hatte wirklich Knast und bin nur etwa 2km von dem Grenzuebergang weggefahren um mich dann neben die Strasse in die Sonne zu setzen und was zu essen. Dazu muss man wissen, die Strasse geht noch etwa 60km den Grenzfluss entlang, in einem engem Tal, also ich hocke dann keine 20m Luftlinie vom Grenzfluss entfernt und die nehmen das mit der Grenze da noch ernst. Ich sitze also da, dauert es keine 5 Minuten, haelt ein Auto, steigt ein Typ im Anzug aus. Ich denke, scheisse, ein Zivibulle und jetzt gibts Aerger, weil ich hier verdaechtig an der Grenze rumhocke. Aber der Typ ist total nett, erzaehlt was von wegen er waere Touriguide in Tabriz, der naechsten grossen Stadt, ob ich was brauche und gibt mir eine Karte von Tabriz und seine Visitenkarte. Ein bischen schwatzen, alles fein. Dauert nicht lange, da halten die Bullen neben uns. Fragen was wir hier machen, der Typ erklaert irgendwas fuer mich unverstaendliches. Und statt mir jetzt mal ordentlich zu zeigen wo der Polizei-Grenz-Iran-Hammer so haengt, was machen diese Platsche? Die schenken mir 4 Granataepfel und fahren weiter!

Tourist im Iran

Das ist doch mal ne Ansage. Und ich glaube die meinen das tatsaechlich auch so.

Ja hallo, wie soll denn da bitte mein Respekt vor den iranischen Behoerden wachsen, wenn das schon so losgeht? Andererseits ist das vielleicht eine gute Variante, am Ende gewinnen die so wirklich meine Achtung? Ich stell mir schon vor, wie die deutschen Bullen bei der naechsten Maidemo die Antifa ordentlich mit Bonbons zuschuettet, Zuckerwatte austeilt und frisch gepressten Orangensaft verteilt. Die Gesichter im Schwarzen Block will ich sehen, dann eruebrigt sich das Thema Krawalle wahrscheinlich von selbst.

Jedenfalls ist die Grenze wie aus einem Bilderbuch. Die Iraner bauen sich so als Wachstuetzpunkte so kleine Burgen, so richtig mit Zinnen obendrauf und Schiessscharten an den Seiten. Die Armenier bzw. die Aserbaidschaner bevorzugen so hoehere Metallgestelle, auf denen so gruene Haeuschen mit rotem Dach stehen. Und da stehen sie nun rum und beaeugen jeweils tagein tagaus die andere Flussseite. Ist ein Bild wie von einer Modelleisenbahn. Und wie um dieses Bild dann noch perfekt zu machen, faehrt auf der anderen Seite dann tatsaechlich noch ein Zug lang, so mit gruener Rangierlok, einem Gueter- und zwei Personenwagen. Herzallerliebst.

Autobahn

Ja das ist doch des Radfahrers groesste Freude - Autobahn fahren!

Jedenfalls ist das eine echte Grenze. Andere Schrift, andere Sprache, andere Religion, die Zahlen werden anders geschrieben, selbst einen anderen Kalender haben die Iraner, heute ist der 16. 8. 1389.  Auf einmal gibt es super Strassen, aber das ist nicht nur von Vorteil.  Weil es gibt entsprechend viel Verkehr und die letzten 100km bin ich buchstaeblich auf einer Autobahn gefahren, mit zwei Fahrspuren in jede Richtung, Mittelstreifen, Leitplanken und einem endlos rauschenden Verkehr.  Eben genau wie eine deutsche Autobahn.  Das macht so ueberhaupt keinen Spass, das ist todoede und einfach nur frustrierend.  Der Vorteil ist, das es auf einmal auch nicht mehr wirklich steil ist und ich bisher ungeahnte Kilometer und auch Durchschnitte fahre.  Gab aber auch nicht wirklich eine Alternative, das ist eben die ganz normale Verbindungsstrasse zwischen 2 Orten.

Einkaufsstrasse

flanieren auf der Einkaufsstrasse

Insgesamt macht der Iran einen sehr modernen und, haut mich tot, sogar einigermassen westlichen Eindruck.  Es gibt jeden Kram zu kaufen, auch alle moeglichen westlichen Marken, von Marlboro ueber Braun-Rasierer bis hin zu Osram-Gluehbirnen.  Auch VW werden hier montiert.  Manche Typen haben lange Haare, viele Schilder sind in farsi und in englisch beschriftet, auch Strassennamen sind alle nochmal in englisch aufgeschrieben.  Miezekatzen gibts auch einige, das macht eine freundliche Atmosphaere.  Nur Perserkatzen hab ich bisher noch keine gesehen.

Kino in Tabriz

Eingang zu einem Kino

Aber der absolute Oberhammer sind wirklich die Leute.  Alle naselang fragt mich wer wo ich herkomme, ob es mir gut geht, ob ich Hilfe brauche.  Ich hab schon einen Berg von Zetteln mit Telefonnummern.  Erstaunlich viele Leute sprechen, zumindestens hier in Tabriz, einer 1,5 Millionen Stadt, englisch, ich hatte schon eine Menge sehr sehr angenehmer Konversationen.  Wenn man mal nicht weiter weiss braucht man nur 2 Minuten ein bischen verloren in der Gegend rumzustehen, da kommt auf jeden Fall wer und fragt was er fuer einen tun kann.  Das hat auch Nachteile, es ist quasi unmoeglich mal einfach durch irgendeinen Ort durchzufahren, staendig „muss“ man anhalten um mit sich mit irgendwem Supernettes zu unterhalten.  Sogar Radfahrer gibt es einige, auch Fahrradlaeden, Typen mit Lycra-Klamotten und Rennraedern usw.

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2 Comments

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  1. castor

    8. November 2010 at 16:55

    erzähle den iranern nichts von den antiatomprotesten
    könnte nach hinten losgehen

     
  2. Martin

    2. Februar 2011 at 22:08

    Lolli, dein Blog macht Laune Рjut jeschriehm, sch̦ne Reise!