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Nagorny Karabach

25 Okt
Nagorny Karabach

Die Berge von Nagorny Karabach im Hintergrund

Grenze nach Nagorny Karabach

in dem tiefen Tal dazwischen, etwa 400m tiefer, ist die Grenze

Die ganze Geschichte rings um Nagorny Karabach koennt ihr hier nachlesen.  Jedenfalls handelt es sich um ein derzeit von Armenien besetztes, irgendwie so halbautonomes Gebiet zwischen Armenien und Azerbaidschan, in dem bis heute offiziell Krieg herrscht, wenn auch seit 16 Jahren Waffenstillstand ist.  Alle Armenier die ich getroffen habe, schwaermen von der schoenen Gegend und betrachten das Gebiet als nun zu 100% zu Armenien gehoerig.  Die UNO sieht das etwas anders, aber wenn kuemmert das hier?

Jedenfalls habe ich mir das Visum schon in Yerevan besorgt, was nicht wirklich notwendig ist, man kann sich auch einfach in Stepanakert, der „Hauptstadt“ da, registrieren lassen und alles ist gut.  War aber insofern witzig, als das die Tante in dem Konsulat in Yerevan gelangweilt in einer Illustrierten blaetterte waehrend ich nicht im Zimmer war, die Lady an der Kasse spielte Solitaer an ihrem Computer, also sonderlich gestresst wirkten die alle nicht.  Was nicht bedeutet, dass man nicht doch dreimal ins Zimmer rein und wieder raus muss, zwischendurch Zettel ausfuellen, Pass abgeben usw., alles ganz ganz wichtig.
Die Grenze selber ist ein Witz.  Sitzen da zwei vor einem Bauwagen an einem Tisch unter einem Sonnenschirm am Strassenrand, rauchen ein paar Kippen und kontrollieren so nebenbei die Papiere.  Waehrend die meinen Pass beaeugten, raste einer mit seinem Auto einfach durch, der Typ pfiff zwar ordentlich in seine Pfeife, mehr konnte er aber auch nicht machen.  Auch egal.  Fuer mich gabs diese einfache Option leider nicht, die „Grenzkontrolle“ ist in einem sehr tiefem Bergtal, zu beiden Seiten gehts steil in Serpentinen hoch, keine Chance da schnell wegzufahren.

Stepanakert jedenfalls ist ne ziemlich armenische Stadt, unterscheidet sich aber durch ne Menge Neubauhaeuser, ich schaetze mal die hatten nach dem Krieg da ne Menge Platz fuer neue Gebaeude.  Ansonsten laufen ne Menge Typen in Uniform rum, aber das sollte nicht verwundern im besetzten Gebiet.  Die Armenier begreifen Nagorny Karabach so als nationales Aufbauprogramm, so wird weltweit Geld gesammelt um die Strassen da auszubauen oder auch ansonsten die Infrastruktur zu verbessern.

Agdam

Agdam

Agdam

Agdam

Mein persoenliches Highlight war Agdam.  Eine ehemals 100.000 Leute Grossstadt, also ein ziemlich grosses Ding, was komplett in Truemmern liegt.  Ruinen soweit das Auge reicht, unfasslich.  Also sollte mich nochmal wer mit Ruinen beeindrucken wollen, der muss sich aber schon sehr anstrengen demnaechst.  Problem:  Ein Besuch dieser Stadt ist verstaendlicherweise nicht in der Liste der erlaubten Orte enthalten, klar, solche Bilder will man nicht unbedingt von seinem Land vermitteln.
Ich bin trotzdem hin und bin da ewig mit einem bischen Angst im Nacken gleich verhaftet zu werden durch diese Ruinenfelder gefahren.  Und hab das Stadtzentrum gesucht, es sah aber alles gleich aus, wo soll das denn bitte sein?  Nach bestimmt ner Stunde suchen sah ich dann die zwei Minarette der ehemaligen Moschee, die zwei einzigen Gebaudeteile die aus dem ganzen Steinmeer da noch rausragten.  Leider standen davor ein paar Armeefahrzeuge und auf dem Minarett sah ich jemand stehen.  Mist, ich haette zu gern den Ausblick von da oben gehabt.  Aber der Lonely Planet warnt recht eindringlich davor, da ueberhaupt hinzufahren, gar Fotos zu machen, und alleine schon gar nicht.  Also erstmal abgedreht und Land gewonnen, will ja auch nicht, dass die meine Kamera konfiszieren oder so was.

Wer jetzt in so Vernunftkategorien denkt vergisst aber den Magnetismus der von so zwei einzeln stehenden Minaretten inmitten einer riesigen zerstoerten Stadt ausgeht.  Hat mich schon sehr gewurmt, so nah dran und dann da nicht hoch?  Also zurueck, wie die Katze um den heissen Brei, immer naeher ran.  Mir am Ende ein Herz gefasst, das Rad abgestellt, an den Soldaten vorbei die nur muede freundlich gruessten, den Typen auf dem Minarett von unten gefragt ob es ok ist wenn ich hochkomme, der sagt ok, also hoch.  Steht da ein 18jaehriger Milchbubi in Uniform mit einem Feldstecher und haelt irgendwie Wache.  War ganz freundlich, alles easy und nett.  Hab runtergeguckt, eigentlich sieht man auch nicht viel mehr, eben eine zerstoerte Stadt bis zum Horizont.  Mhmm, hab mich dann bald wieder verdrueckt und bin heile nach Hause gefahren.  Fotos von da oben zu machen hab ich mir dann aber doch nicht getraut.

Kirche Dadivank

200km fuer eine Kirche?

Dass die das mit der Grenze nach Armenien dann doch ernst meinen hab ich etwas spaeter erfahren muessen.  Laut Karte und laut Aussage der Konsulatsfrau in Yerevan gibt es naemlich noch eine zweite Strasse ueber die Grenze, diese sei aber nicht empfohlen usw.  Da es aber doof ist die gleiche Strecke zurueck zu fahren die man schon gekommen ist, dachte ich Versuch macht klug.  Macht er auch, naemlich zwei Doerfer vor der Grenze kommt so ein Dorfhaeuptling zu mir und erklaert mir, dass es da fuer mich nicht weiter geht, telefoniert auch nochmal mit der Polizei, da ist aber nuescht zu machen.  Im letzten Ort kommt der naechste und wirkt sehr sehr erleichtert als ich ihm sage ich muss wohl oder uebel zurueck.  Hab ich mir noch die letzte Kirche da angesehen und bin dann frustriert die 100km nach Stepanakert zurueck geradelt.  Hoi, 200km fuer eine Kirche, da koennt ihr mal sehen wie kulturinteressiert ich bin.

Museum der gefallenen Soldaten

am Ende bleibt ein gerahmtes Foto

kaputter Panzer

Bei Rot bleibe stehn, bei Gruen darfst du gehn, bei Gelb musst du warten, so kannst du sicher starten!

In Stepanakert gibts dann dieses Museum der gefallenen Soldaten.  Da haengen sie nun rum, einfach gerahmt, das letzte Mal in Reih und Glied.  Dazu gibts deren Waffen und ein paar persoenliche Ausruestungsgegenstaende zu sehen.  Am Ende bat mich die Museumstante etwas ins Gaestebuch zu schreiben.  Hab ich auch gemacht, aber sicherheitshalber in deutsch und mit Pseudonym, ich will ja nicht von einem armenisch-patriotischen Lynchmob durch die Strassen gejagt werden.
Jedenfalls, waehrend die anderen Gaestebucheintraege alle so den Ton hatten, wie schlimm, wie furchtbar, die armen Menschen usw., hab ich geschrieben, dass es sich hierbei ja nicht um irgendwelche unschuldigen Leute handelt, sondern um Soldaten im Krieg, die mit ner Knarre in der Hand andere Leute gekillt haben oder killen wollten und dass das eben dazu gehoert wenn man sich auf diesen Job einlaesst.  Und noch dazu wenn man dabei ist von einem Nachbarland Territorium zu erobern.
Ist doch Quatsch da sich da irgendwelche Bauern, Apotheker, Uebersetzer, Verkaeufer oder was die sonst so im normalen Leben sind oder geworden waeren, dass die sich da gegenseitig um die Ecke bringen.  Am Ende ist da keinen geholfen und immer so in Uniform mit schwerem Gewehr durch den Dreck robben ist doch auch nicht der Traum eines kleinen Jungen.  Lasst das sein, die Jungs auf der anderen Seite der Grenze wollen doch auch nur ihre Kuehe auf die Weide bringen.

Aber um auch mal etwas konstruktiv zu sein, kommt hier mein 5-Punkte Plan fuer die Loesung des Nagorny Karabach Konfiktes.  Liebe UNO, bitte zuhoeren:

  1. Das Gebiet gehoert voelkerrechtlich zu Azerbaidschan, also soll es auch dorthin wieder zurueck.  Kann doch dem Typen mit seiner Kuh egal sein, an wen er nun seine Steuern bezahlen muss.
  2. Dafuer brauchts natuerlich ne Garantie, dass die armenische Bevoelkerung in diesem Landteil so leben kann wie sie es gewohnt ist, sprich freie Religion, Sprache usw.  Man muss ja nun nicht in Armenien wohnen um armenisch sprechen zu koennen.  Keine Vertreibungen, keine Rache, keine Progrome als dankeschoen weils das Land zurueck gibt.
  3. Offene Grenzen in alle Richtungen.  Sprich die Armenier koennen easy ihre Verwandten in Armenien besuchen und andersrum, aber auch die Azerbaidschanis koennen sich da ansiedeln wenn sie noch Lust dazu haben.  Offene Grenzen zwischen den Laendern sollten auch wieder sowas wie Handel ermoeglichen, ich glaube da haben beide was davon
  4. Entmilitarisierung.  Keine Soldaten, kein Kriegsgeraet mehr in diesem Gebiet.  Nagorny Karabach wird die Schweiz des Ostens.
  5. Selbstverwaltung der ansaessigen Bevoelkerung, sprich weitestgehende Autonomierechte unabhaengig der Regierungen in Baku oder Yerevan.


So, ist doch ganz einfach.  Haendeschuetteln, Bruderkuss und dann ran ans Werk.  Habt euch wieder lieb.

zerstoerterter azerbaidschanischer Friedhof

zerstoerterter azerbaidschanischer Friedhof

Antifa

Wir sind ueberall!

Reifen flicken

Ich hatte bisher noch keinen Platten. Dafuer hat dieser Typ mit meinem Flickzeug (liegt da auf der Motorhaube) seinen Schlauch fuer den Autoreifen repariert.

Strecke nach Dadivank

So schoen siehts da manchmal aus, war eine grossartige Strecke. Leider mit wieder zurueck fahren muessen.

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2 Comments

Posted in Armenien

 

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  1. Annett

    29. Oktober 2010 at 00:35

    warum bist du nicht mal hoch auf den ararat? dresden ist langweilig… Gruß Annett

     
  2. freitag

    3. November 2010 at 16:54

    guten tach,
    mensch jung nicht mal auf’m ararat warst oben.
    beim nächsten mal komm ich per stang ab tbilisi mit und dann strieze ich dich schon den berg dahoch.
    – und deinen schlafsack schon an grenzen gebracht?
    selber bin seit 2 wochen wieder im deutschenlande. naja der gute alte rhythmus des alltages hat ein schnell wieder ein.

    ahoi. christian