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(schiitischer) Islam in Aktion

16 Dez

Also so rein islamtechnisch ist hier gerade die Hoelle los.  Es findet gerade das Aschura-Fest statt, und das ist verbunden mit ner Menge Paraden und grossen Happenings in den Moscheen.  Aber erstmal der Normalzustand:  In den schiitischen Moscheen steht meistens so ein mehr oder weniger heiliger Schrein, ueblicherweise ein gruener Kaefig, der dann von allen angetatscht und abgeknutscht wird.  Ich hab hier ungefaehr 2 Milliarden Fotos von Moscheen und Minaretten, alle ganz doll mit bemalten Fliesen, Mosaiken, goldenen Kuppeln, pi-pa-po.  Das erspare ich euch jetzt mal lieber, aber hier mal eine Innenaufnahme einer Moschee, das war noch in Teheran.  Man beachte bitte auch die Spiegeldecken ueberall, da kann einem echt schwindelig werden mit der Zeit.

Moschee in Teheran from Michael Lottes on Vimeo.

Wenn Religion Opium fuers Volk ist, dann wird in Qom. ca. 150km suedlich Teherans, das Heroin kiloweise verteilt.  Qom ist nach Mashhad die zweitheiligste Stadt im Iran, alle Frauen laufen im Tschador rum und alle wichtigen islamischen Gelehrten kommen hier aus diesen Schulen, u.a. so ziemlich die ganze Regierung.  Der Mittelpunkt ist noch so ein Heiliger Schrein, diesmal fuer die Schwester eines gewissen Imam Reza.  Aha.  Jedenfalls auch so ein riesiges Gebaeude mit einigen verschachtelten Innenhoefen, drinnen alles so mit Spiegelmosaiken belegt und richtig, richtig viele Leute.  Dabei ist noch nicht mal Freitag.

Moschee in Qom

Heiliges Dingsbums von Qom

Ich war auch der einzige Nichtmuslim in dem Laden,jedenfalls hab ich keinen anderen Traveller gesehen.  Spaeter sammelten sich die Leute in einer grossen Halle und ich war schon ganz gespannt was jetzt kommt.  Dazu muss man wissen, dass es in dieser Stadt eigentlich sonst nichts anderes zu tun gibt, und da war mir ein bisschen Moscheen-Entertainment eigentlich ganz recht.  Ich machte aber den Fehler nochmal in einen der aeusseren Hoefe zu gehen, wo mich dann ein Aufpasser ganz freundlich darum bat, das Gebaeude zu verlassen, weil das sei jetzt nur noch fuer Muslime.  Hat mich eine viertel Stunde Fussweg gekostet um die Moschee rum zum anderen Eingang wieder rein zu kommen.  Dafuer stand ich dann aber in diesem riesigen Saal, bestimmt tausend Leute drin, die sich alle gleichzeitig auf Kommando verbeugen oder aufstehen.  Nach hinten waren da mindestens nochmal so viele Leute und hinter einer Absperrung dann auch noch die Frauen.  Jedenfalls, da spuert man die Kraft die in einem gemeinsamen starken Glauben steckt.  Sowas ist in Mitteleuropa lange verloren und da bin ich auch nicht sauer drueber.  Man hat zusammen zwar ne Menge Bums, vor allem wenn alle nach einer Pfeife eines Vorbeters tanzen, aber mir ist es irgendwie lieber mich um meinen eigenen Kram zu kuemmern.

im Hazrat-e Masumeh from Michael Lottes on Vimeo.

In einem der Innenhoefe in Qom fanden jedesfalls an dem Tag, an dem ich da war, verschiedene Umzuege statt.  Die liefen da entweder mit Trommeln rum, oder schwenkten enthusiastisch riesige Fahnen (gruen, rot und schwarz) oder folgten eben so einem Wagen mit Vorsinger.  War auf jeden Fall ne Menge los, also von Glaeubigenbespassung verstehen die was.   Auch wenn ich das Gefuehl hab, dass die bei diesem Gesinge von diesem Wagen etwas bei der Love-Parade abgeguckt haben.

das wird spaeter mal ne Love-Parade from Michael Lottes on Vimeo.

Wie sich rausstellte waren das die ersten Tage eben jenes Aschura-Festes.  Das ist das wichtigste Fest der Schiiten und erinnert an den Maertyrertod eines gewissen Hussein, ein Enkel Mohammeds.  Der verlor vor 1300 Jahren mal eine aussichtslose Schlacht, weswegen die Schiiten bis heute eine Minderheit unter den Muslimen sind.  Und das ist ein entsprechend grosses Trauerfest, ueberall haengen schwarze Fahnen, es werden traurige Reden geschwungen.  Zum Hoehepunkt, dieses Jahr am 16. Dezember, sind wirklich alle Laeden geschlossen, die Staedte sind wie ausgestorben und alle nehmen an den diversen Veranstaltungen teil.  Etwa wie hier in dieser Moschee; um die Verbundenheit mit Hussein zu zeigen, schlagen sich die Jungs mit aller Kraft auf die Brust, um so zu zeigen, dass sie bereit sind jederzeit fuer diesen Hussein oder sonstwen selber zu Maertyrern zu werden:

und das koennte irgendwann mal ein Rockkonzert werden… from Michael Lottes on Vimeo.

Ansonsten finden eine Menge Prozessionen statt, an denen sich die Leute teilweise mit Ketten oder gar Schwertern selber schlagen, Kamele werden geschlachtet und vor allem werden so eine Art Passionsspiele aufgefuehrt, in denen die Story um den verlorenen Kampf nachgespielt wird.  Die Roten sind die Boesen (heute die Sunniten), die Gruenen sind die Guten und verlieren.

Passionsspiele zum Ashura-Fest 2010 from Michael Lottes on Vimeo.

Jedenfalls kochen zu dieser Zeit die Gefuehle ueber.  In Teheran gab es 2009 aus diesem Anlass fette Demonstrationen gegen die Regierung, die in Strassenschlachten endeten.  Deshalb sind dieses Jahr sind saemtliche Ashura-Feierlichkeiten in Teheran verboten.
Man sieht auch wie ernst der sunnitisch-schiitische Konflikt ist, weil jedes Jahr gibt es zu diesem Anlass Anschlaege von Sunniten auf dieser Feierlichkeiten, dieses Jahr starben 38 Leute bei einen Bombenanschlag im Suedostiran.  Kleine Gemeinheiten erhalten die Feindschaft.

Ashura Fest from Michael Lottes on Vimeo.

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