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stinken fuer die Freiheit

11 Jan

Zu einer ordnungsgemaessen Iran-Reise gehoert natuerlich auch eine Nacht bei der Polizei.  Irgendwie war es die letzten Tage nicht besonders aufregend, die Landschaft zwar ganz schoen, aber das nun auch schon in der dreizehnten Wiederholung, die Orte einer wie der andere.  Da machte sich ein wenig Ueberdruss, um nicht zu sagen Langeweile breit, und man faehrt eben so seine Kilometerchen ab.  Aber fuer Unterhaltung wird gesorgt!

gefaehrliches Foto

gefaehrliches Foto - Tee trinken am Check-Point

iranischer Polizist und Soldat

das gleiche Foto nochmal anders, diesmal mit Soldaten

Da haelt ein Auto neben mir, drei Maenner drin, alles in zivil: „Passport!“  Nun wird man hier nie von der Polizei nach dem Pass gefragt, wohl aber von Betruegern, die den Pass fuer was auch immer brauchen.  Deswegen gabs den Pass nicht von mir, aber die Ansage, dass sie ihn gerne in der naechsten Polizeistation sehen koennen.  Stellte sich spaeter raus, das waren schon echte Bullen, nur eben Geheimpolizei oder so was.  Jedenfalls haben dann die Bullen ohne Uniform die Bullen mit Uniform geholt und den Rest der Strecke gings weiter auf der Rueckbank des Polizeiautos.

Das war deswegen so aergerlich, weil es 35km vor der Kueste passierte.  Da faehrt man 4600km quer durchs Land, ueber nicht wenige Berge, und dann hat die Ankunft an diesem Ziel, persischer Golf, das Meer, schon eine ziemliche Bedeutung.  Da dann endlich mit dem Rad am Wasser anzukommen, tausend Mal ausgemalt, ein grosser Erfolg, ein erreichtes Ziel, das ist ne dicke Nummer.  Stattdessen sitze ich in diesem doofen Bullenauto und sehe das Meer durch die Fensterscheibe.  Das ist wie, wenn man am Strand in stundenlanger muehsamer aber liebevoller Arbeit eine schoene grosse Kleckerburg baut, mit drei Tuermen und zwei Eingaengen, und dann aufsteht um sie Mutti zu zeigen, und dann kommt jemand und zertrampelt sie.  Ich haette sie erwuergen koennen!

Dann fing der Spass aber erst an.  Eigentlich waren alle fast immer nett, ich war eher ne Kuriositaet.  Was den Chef da nicht davon abhielt, alle meine Taschen zu durchsuchen, erstmal den Lonely Planet und zwei andere Buecher zu beschlagnahmen und die Bilder meiner Kamera durchzusehen.  Und dann waren da ein paar Fotos die ihm nicht gefielen, zwei mit irgendwelchen Uniformierten drauf, eines von einer Wahlkarte von der letzten Wahl.  Und dann ging ein Fragenmarathon los, das mir hoeren und sehen verging.  Warum habe ich diese Fotos gemacht, wann, wo?  Welche Strecke bin ich gefahren, wen habe ich getroffen, habe ich Freunde im Iran, kenne ich Leute in Deutschland die fuer die Regierung arbeiten, woher habe ich diese oder jene Telefonnummer, was arbeitet meine Mutter, mein Vater, meine Schwester, warum mache ich Fotos von Strassen? Pi pa po.  Voellig nervend.

gefaehrliches Foto

noch so ein staatsgefaehrdendes Foto: Eigentlich wollte ich das Fernsehinterview fotografieren, was kann ich dafuer das da so ein Aufpasserheini im Bild rumsteht?

Dann wurde ich in die naechste Polizeistation gefahren, hier wiederholte sich die ganze Szene, ich wurde nacheinander von zwei verschiedenen Leuten, alle in zivil, die sahen nicht anders aus als die ganzen anderen Mohammeds auf der Strasse, zu jeden moeglichen und unmoeglichen Kram befragt.  Das Dumme ist, man weiss nie, mit wem man es zu tun hat. Wer ist das, welche Funktion hat der, ist der wichtig?  Aber Fragen ohne Pause: Warum ich im Iran bin, womit ich mein Geld verdiene, wie viel Geld ich dabei habe, wieso treffe ich Iraner, kenne ich Iraner in Deutschland… Meine Strassenkarte wurde mehrfach aufs genaueste untersucht.
Aber mal im Ernst: Wenn ich einen Spion in den Iran schicke, waere es dann schlau den auf einem Fahrrad durch die Gegend fahren zu lassen?  Das ist so unauffaellig, da kann man hier auch gleich nackig baden gehen.

Strassenfoto

Warum machst du Fotos von Strassen? Keine Ahnung, weil ich viel auf Strassen unterwegs bin und weil es mir gefallen hat?

Nach sechs Stunden dachte ich, die Sache waere endlich vorrueber, fahren die mich in ein anderes Gebaeude, wo ich dann die Nacht verbringe.  Vorher findet der noch mein Tagebuch in meinem Rucksack.  Da hat man dann ueber Nacht genug Zeit sich die Situation schoen auszumalen.  Fuer jemand, dem man irgendwie verdaechtig erscheint, muessen so etwa 50 engbeschriebene Seiten immer so mit Datum vorneweg doch wie ein Geheimdossier, oder noch schlimmer, ein Buchmanuskript  vorkommen.  Hinten drin waren auch einige Notizen fuer diverse Blogeintraege.  Jedenfalls genug Stoff, um daraus nen Journalismusvorwurf zu drehen.

Man weiss ja auch nie an wen man geraet.  Ich bin in Deutschland schon zu ner Haftstrafe auf Bewaehrung verurteilt wurden fuer was, was ich gar nicht gemacht habe, einfach weil die Aussage eines „Polizeibeamten“ mehr wert ist als das Gestammel meiner Peilerfreunde.  Ich will damit sagen, ich hab  mehr Vertrauen in einen israelisch-palaestinensichen Friedensvertrag als in Richter oder Polizisten und da kann man hier im Iran sicher noch ne Potenzzahl dahinter schreiben.  Da muss man nur mal an den falschen Typen geraten fuer den man die fehlende Sprosse auf der Karriereleiter ist = nicht lustig!

Am naechsten Tag durchsucht einer nochmal mein Zeug.  Mir reichts langsam, das geht mir echt auf den Wecker, da durchwuehlt wieder irgend so ein Schnueffler meinen Privatkram, was geht den das denn an?  Und er findet auch gleich wieder was, unter anderem ein paar Tan-Listen und ein Blatt mit ein paar  Passwoertern, u.a. fuer dieses Blog hier.  Ich dachte schon, jetzt sei alles aus. Ich bin sicher, beim lesen einiger dieser Artikel hier, haben die garantiert ein anderes Verstaendnis von Humor als ich. Und sehen so Tan-Nummern, fuer wen der kein Online-Banking kennt, nicht eher wie irgendwelche Geheimcodes aus? Man wird dann so langsam paranoid.

Kirchentuer in Shiraz

Hast du wirklich keine Religion? Warum machst du dann Fotos von Kirchen?

Jedenfalls gabs da genug Stoff fuer mich, mir ordentlich Sorgen um meine Zukunft zu machen.  Eine kleine Freude hatte ich. Als die in meinem Rucksack ein paar Kondome fanden, meinte ich, dass ich diese ja hier im Iran nicht braeuchte.  Hab mir gar nichts dabei gedacht, aber die verbissenen Gesichter als die verkniffen antworteten „Aber in Georgien oder Armenien schon?“, uh das hat mir gut getan.

Jedenfalls, am zweiten Tag gabs noch ein weiteres und das letzte, nunmehr vierte, laengere Verhoer.  Nun muss man wissen, den ganzen Tag radfahren, dabei schwitzen, im Zelt pennen, da ist nicht viel mit waschen.  Ist ja auch kein Ding, man ist an der frischen Luft und wenn man in eine Stadt kommt und da bleiben will, geht man in ein Hotel und duscht und alles ist gut.  Die Gelegenheit hatte ich in diesem Fall aber nicht; und so verspruehte ich dann auch ein entsprechendes Aroma.  Zugegeben, ich haette mich da an diesem Waschbecken auf dem Klo irgendwie waschen koennen und ich hatte auch frische Socken im Ruecksack.  Aber Widerstand faengt im Kleinen an und man muss es den Freaks hier ja nicht noch angenehm machen.  Und wie sie dann reinkamen, erstmal alle Fenster und Tueren aufmachten und Duftspray verspruehten, ich haette mich wegwerfen koennen waere mir nur irgendwie zum lachen zu Mute gewesen.

hebraeische Schrift

Oh nein, hebraeische Schrift! Sorry Jungs, das war ne Sehenswuerdigkeit im Iran.

Mein Glueck war vielleicht auch, dass die keine Computer in ihren Bueros haben, von Internet ganz zu schweigen.  Alles wurde schoen handschriftlich mit Blaupapier protokolliert.  Nun neige ich aber nicht dazu die Polizei zu unterschaetzen, keiner weiss gern seine Passwoerter bei der iranischen Polizei.  Mein Glueck war auch, dass die nicht deutsch koennen und es wahrscheinlich etwas aufwendig waere einen Uebersetzer zu finden, so bleiben viele meiner Notizen wohl unverstanden.

Am Ende haben sie mich nach 26 Stunden laufen lassen.  Mit der Ansage, den Iran auf schnellsten Weg zu verlassen, nicht mehr auf diese Insel zu fahren wo ich eigentlich noch hinwollte.  Mein Vergehen war es angeblich, auf einer Strasse gefahren zu sein, die fuer Touris nicht erlaubt waere.  Das ist aber ein Vorwand, sowas habe ich hier noch nie gehoert.  Und es gab die Ansage und das soll ich allen sagen: „We control every tourist.“  Na wenn das mal keine nette Einladung ist.
Der wollte mir klar machen, dass natuerlich auch Auslaender die Regeln hier zu befolgen haetten, sprich die machen hier die Regeln und nicht die Touris.  Da klang er dicke durch, der trotzige Nationalstolz.  In Dresden stimmt das Wahlvolk  fuer eine Bruecke, die zwar so teuer ist wie drei kleinere andere und der Weltkulturerbetitel ist hinterher weg, aber immerhin es ist deren eigene Entscheidung und keine Einmischung von irgendwelchen schlauen Leuten aus dem Westen oder gar aus dem Ausland.  Hirnverbrannt, hier wie dort, aber funktioniert.

Leute

Wer ist das? Wo hast du die getroffen und warum? Worueber habt ihr geredet?, Warum machst du nur Fotos von armen Leuten?

Naechsten Tag fahre ich weiter.  Aber es ist nicht mehr das Selbe.  Jetzt verstehe ich auch, warum hier ueberall die Khomeini-Khamenei Bilder rumhaengen, das ist irgendwie die staendige Erinnerung, wir haben dich im Blick, wir passen immer auf was du machst.  Gruselig.
Ich fahre ein Stueck, haelt vor mir ein Polizeiauto, drei Polizisten steigen aus, winken mich ran.  Ich denke, oh nein, jetzt haben sie doch noch was gefunden.  Stattdessen ist es der ganz normale Wahnsinn, die haben nur angehalten um mir die Hand zu geben, zu fragen ob alles ok sei, ob ich Hilfe brauche und mir eine gute Reise zu wuenschen.  Spaeter krieg ich von so nem Checkpoint-Soldaten noch 2 Orangen geschenkt, insgesamt werden es an diesem Tag 6 Orangen und 2 Aepfel.  Verueckt.  Allesamt so liebe und freundliche Leute und dann gibts ein paar hypernervoese Vertreter der Diktatur und die machen alles kaputt.  Aber die Einschuechterung funktioniert, ich antworte ausweichend wenn irgendwer vor mir ueber den doofen Achmi schimpft, weiss ich ob das echt ist oder vielleicht ein Zivi?  Selbst den Blog hier fuer meine restliche Zeit im Iran abzuschalten, ist ja schon so ne Art von Selbstzensur.  So wirds gemacht.  Ich will nur anmerken, es ist leicht in einem einigermassen liberalen Land wie Deutschland laut „Revolution“ zu schreien, die Sache sieht ein bischen anders aus, wenn fuer einem tatsaechlich was auf dem Spiel steht.

Aber das ich zwar hirntot bin, aber die Reflexe noch funktionieren, zeigt folgende kleine Nebengeschichte.  Ich sitze da so in diesem Zimmer rum und hab sozusagen einen Tag Erholung bei freier Verpflegung, sprich, ich langweile mich natuerlich sehr.  Und hab dann mit dem Kuli ganz klein was an die Wand gekritzelt „Fuck the system“ und „Freedom for Iran“.  Mir war gerade irgendwie danach, sollten die natuerlich nicht lesen, aber ich wollte schon noch ein Statement abgeben.  Wenig spaeter viel mir ein, dass das jetzt hier nicht wirklich ne langweilige Biostunde in der Schule ist, wo ich noch irgend einen anderen Bloedsinn zu „Marcus liebt Sandra“ unter der Schulbank hinzuschreibe. Sondern dass ich hier in irgendeinen Versammlungsraum des iranischen Staatsschutzes rumsitze und die das sicher nicht besonders lustig finden, wenn sie das finden.  Und dann hab ich eine gefuehlte Ewigkeit damit zugebracht, den Kuli auf Oelfarbe mit Spucke und Finger irgendwie wieder von der Wand zu entfernen, staendig mit einem Blick auf die Tuer, das ja auch keiner guckt oder reinkommt.  Eigentlich hab ichs nicht anders verdient, Knast wegen Bloedheit.

Ich hatte dann sicherheitshalber als erstes dieses Blog hier zu gemacht, ich hatte keine Lust mehr noch ein Risiko einzugehen, das System hier werde ich damit eh nicht zum wanken bringen.  Jetzt ist er wieder da, und das ich das jetzt hier schreiben kann, zeigt, dass ich raus aus dem Iran bin und alles ist gut.  Puh.

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2 Comments

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  1. kay

    11. Januar 2011 at 14:37

    da kommt mir doch ein lächeln übers gesicht, und ich freu mich drüber, scheint so, dass du irgendwie in nem DDR ähnlichen system unterwegs warst, jedenfalls fühlt sich das beim lesen so an. die leute leben haben spass und meckern halt, und ein paar komplett bekloppte sind an der macht und langweilen sich werden paranoid kriegen nix auf die reihe also los und ein bisschen leute nerven und sich cool und wichtig fühlen macht ist echt was cooles. ok der vergleich mit der zone hingt, die geschichten gibts auch in den demokratischen ländern, deswegen hier mal noch ein link zu einer geschichte http://www.youtube.com/watch?v=sDkHPNbCC1M&feature=player_embedded den typen hat es richtig hart erwischt er hat sich gewährt aber zu welchem preis, geht eigentlich gar nicht.
    sport frei
    let*s rock
    kay

     
  2. horst

    11. Januar 2011 at 18:01

    gut das du raus bist!!!
    viel spaß noch