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Yerevan

09 Okt
Yerevan

Yerevan

Also wenn ich ueber Yerevan vor ein paar Tagen geschrieben haette, dann haette ich diese Stadt in Grund und Boden geschrieben und Guttenberg um Luftunterstuetzung gebeten und dem irgendwas von einem entfuehrten Tanklaster erzaehlt.  Nerviger kalter Dauerregen, dunkel, grau, aggressiver Verkehr der einen wie ein Huehnchen ueber die ewig breiten Hauptstrassen rennen laesst, riesige Pfuetzen die von den Autos in meterhohen Fontaenen auf die Fusswege gespritzt werden.  Kalt, es macht keinen Spass draussen zu sein, Betonburgen, baeh.

Aber seit zwei Tagen ist die Sonne wieder da, auf einmal ist es nicht mehr spaetherbstlich sondern wieder sommerlich und die Stadt zeigt einen ganz

Yerevan im Regen

Yerevan im Regen - Platz der Republik

besonderen Charme.  An und fuer sich fand ich Tiflis schoener; kleinteiliger, engere Strassen, kleinere Geschaefte, aeltere Haeuser.  Aber Yerevan hat eine Bummel- und Cafe – Kultur wie sonst selten.  Es macht einfach Spass durch die belebten Strassen zu bummeln, die Leute sind freundlich, es gibt ne Menge kleinere Gruenguertel voller Cafes und der bleibende Eindruck ist irgendwie „relaxt“, „entspannt“, „easy going“.  Gerade werden nochmal ueberall Blumen gepflanzt und so Lichterketten aufgehaengt, weil am Sonntag ist Stadtfest, Yerevan wird 2792 Jahre alt.  So steht es jedenfalls auf den ganzen Plakaten.

Da ich ein bischen Zeit habe, hab ich mir auch so ein paar Sights gegeben, so mit Kirchen und grossen und

Trinkbrunnen

Trinkbrunnen

wichtigen Gebaeuden und so.  Ein grosses Ding fuer mich war das Genozid-Museum.  Da werden innerhalb weniger Jahre (1915-1922) von den Tuerken planmaessig 1,5 Millionen Armenier abgeschlachtet und bis heute haelt die Welt dazu die Klappe, weil die Tuerken es nicht drauf haben mal Entschuldigung zu sagen.  Und das ist, glaube ich, das Hauptding was die Armenier so kraenkt.  Da wird einem erstmal klar, welche Bedeutung Willy Brandts Kniefall in Warschau damals fuer die Polen hatte; eine Geste, die mit ein paar Jahrzehnten Abstand nicht viel kostet, aber echt ein grosser Schritt gewesen ist, vor allem fuer die Polen.

Backgammon im Park

Backgammon im Park

glueckliches Hochzeitspaar

glueckliches Hochzeitspaar

Streetart

Streetart - gibts, aber das sind echt Einzelstuecke

Erik und Jirair

Erik und Jirair - Vater und Sohn

Es gab auch ein paar interessante Leute zu treffen.  So ist Eric, einer der Betreiber des Envoy Hostels, eigentlich ein iranischer Armenier, sprich zwar Armenier, aber eben lebt die Familie seit einigen Jahrhunderten im noerdlichen Iran.  Waehrend des Iran-Irak Krieges sind die dann nach Australien gefluechtet, was irgendwie nur ging, weil sie dort Verwandte wohnen hatten.  Eric war damals 15 und es ging darum, dass er nicht von der Armee zum Krieg eingezogen wird, weil dessen Ende nicht abzusehen war.   Seine Mutter hat den Krieg live erlebt und auch von Gasangriffen von irakischer Seite auf die Kurdendoerfer in der Naehe mitgekriegt.  Erics Frau, ebenfalls Armenierin aus dem Iran, aber aus Teheran, gelang es, nach 7jaehrigen Kampf um die richtigen Papiere, nach Australien ausreisen zu koennen.  Und auch sie konnte von den Bombenangriffen auf Teheran berichten.  Heute sind sie hier zu Besuch in Yerevan und haben 3 praechtige Kinder zusammen.  Ich hab bisher noch niemand getroffen der so hautnah von einem Krieg erzaehlen konnte.

Jirair, Erics Vater, lebt heute noch im Iran.  Von ihm habe ich erste Infos ueber den Iran erhalten (und auch gleich seine Adresse).  Jedenfalls, in der Stadt in der sie leben, Umri, 500.000 Einwohner, gibt es 1600 christliche Armenier und auch noch ein paar andere Minderheiten.  Die haben jeweils ihre eigene Kirche und koennen ihre Religion auch relativ ungestoert ausleben.  Auf der Strasse tragen deren Frauen natuerlich Schleier, aber wenn sie unter sich sind, ist das nicht notwendig.  Jirair hat auch ein groesseres Haus mit Garten und macht aus den da wachsenden Trauben auch Wein fuer den Eigengebrauch.  Auch das geht also klar.  Ansonsten koennen Iraner ohne Visum immerhin in die Tuerkei reisen, also so ganz eingesperrt sind sie auch nicht.

David Mittagspause

kleine Mittagspause mit David

Eine andere Nummer war der Suedafrikaner mit dem ich in unserem Homestay ein Zimmer teilte.  Ich hab bisher nur Suedafrikaner getroffen, die immer gejammert haben wie beschissen es bei denen da unten laeuft, und man muesse um sein Leben fuerchten und die Schwarzen machen alles kaputt und das Chaos steht kurz bevor.  So jedenfalls der Tenor den ich von weissen Suedafrikanern bisher ausschliesslich gehoert hatte.  Und da stellt sich dieser Typ, David, hin und erzaehlt, dass eigentlich alles ganz entspannt sei, dass die Wirtschaft sich ganz gut entwickle, die Aussoehnung zwischen schwarz und weiss erfolgreich sei.  Natuerlich gibt es Sicherheitsprobleme, aber das sei in erster Linie eine Frage des falschen Ortes zur falschen Zeit.  Und er meinte, es gaebe recht viele liberale Suedafrikaner die so denken wuerden wie er.  Das hat mich wirklich angenehm ueberrascht.

im Envoy Hostel

Reisefuehrer lesen im Envoy Hostel

Ja, Homestay.  Leider mussten wir das grandiose Envoy Hostel fuer eine vorreservierte tschechische Rentnergruppe verlassen.  Das tolle am Envoy sind in erster Linie die Leute an der Rezi.  Es ist so unglaublich hilfreich wenn jemand fluessig englisch spricht, auf alle moeglichen Fragen eine Antwort weiss, auch mal einen Anruf macht um irgendwas rauszukriegen.  Und freies Internet, Tee und Kaffee, eine Gaestekueche und ein paar nette Traveller – mehr braucht ein gutes Hostel eigentlich nicht.

Jedenfalls bin ich jetzt in diesem „Homestay“ einquartiert.  Und penne tatsaechlich in so einer Neubaubude bei dieser Russenmutti mit grossen Hausschuhen.  Die erste Nacht im Wohnzimmer, weil die Zimmer schon voller Traveller waren, seitdem in einem der Zimmer.  Mutti hat sich derweil eine Matratze in die Kueche gelegt, ihr Sohn wurde zur Schwester ausquartiert. Besonders bemerkenswert fand ich diese „russische“ Armatur im Bad.

in Muttis Wohnzimmer

in Muttis Wohnzimmer

Armatur "Moskau"

"russische" Armatur. Funktioniert, man muss nur wissen welchen Hahn zu drehen. Kalt geht, warm ist der gruene Hebel links unten.

Schaufenster syrische Botschaft

Waehrend die syrische Botschaft in diesem Aushang fuer die Sehenswuerdigkeiten im Land wirbt...

Schaufenster chinesische Botschaft

... zeigen die Chinesen ein paar Meter weiter lieber Staerke.

Bilder im Militaermuseum

in so einem Museum ueber den Krieg in Nagorny Karabach werden vor allem stolze oder tote Helden praesentiert. Etwas ueberrascht hat mich allerdings, dass Bud Spencer mit dabei war

Handschuhe

warme Handschuhe kann man immer gebrauchen

neues Transportmittel

die naechste Tour will ich mit dieser Kiste machen

Mario mit Gaertner

Wenn man mit diesem Typen unterwegs ist, steht man immer neben dem Mittelpunkt. Ciao.

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3 Comments

Posted in Armenien

 

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  1. Sarah

    10. Oktober 2010 at 21:37

    Toller Blog! Die russische Armatur übertrifft bei weitem unsere Russenlampe, die wir eine Weile nach dem Einzug in der neuen Bude hatten…

     
  2. Bele

    25. Oktober 2010 at 22:04

    wie mario war auch da?

     
  3. Sebastian Josch

    7. März 2011 at 19:21

    ich war letztes Jahr in armenien, es war sehr schön dort aber leider wir haben eine sehr schlechte erfahrung gehabt in Dilijan mit „Dili Villa“ Hotel ( http://www.dilitours.de) Das Hotel is nicht sauber, wenig freundlich, bei Problemen unfreundlich bis uneinsichtig, Null Toleranz und Kulanz, nicht kritikfähig, und problematisch bei Reklamationen !!
    Eriwan gefält uns sehr gut 🙂
    Ich wünsche Armenien alles Gute für die Zukunft und das es schafft, aus dem wirtschaftlichen Schlamassel wieder heraus zu kommen.
    Und….ich hoffe, dass nicht zu viele Armenier mehr ihr Land verlassen..denn ohne EUCH wird das nichts!
    grüße
    Sebastian